Immanuel Kant gehört zum deutschen Kanon der Philosophie und ist untrennbar mit der nationalen Geistesgeschichte verflochten. Doch wie rezipieren Expert:innen aus anderen Ländern den Denker? BBAW-Redakteurin Sandra Vogel hat herausragende Kantforscher:innen rund um den Globus befragt:
Prof. Dr. Chong-Fuk Lau lehrt Philosophie an der Chinesischen Universität Hong Kong.
Worauf liegt Ihr aktueller Forschungsschwerpunkt?
Mein Forschungsschwerpunkt liegt primär auf der klassischen deutschen Philosophie. Aktuell befasse ich mich mehr mit Kant als mit Hegel. Ich arbeite derzeit an einem englischsprachigen Buch mit dem Arbeitstitel Kant without the Thing-in-Itself: The Unity of Transcendental Psychology and Metaphysics. Zudem interessiere ich mich für die Philosophie des Geistes, der Religion und der Künstlichen Intelligenz.
Wann und in welchem Kontext sind Sie erstmals auf Immanuel Kant aufmerksam geworden?
Mein Philosophieprofessor in Hongkong, der in Deutschland über Heidegger promoviert hat, war im Herzen ein Kantianer. Unter seiner Anleitung schrieb ich eine Magisterarbeit über Kants theoretische Philosophie.
Würden Sie Immanuel Kant als bekannten Philosophen in Ostasien bezeichnen?
Ja, Kant ist weltweit und somit auch in Ostasien bekannt. Kants Philosophie ist so vielfältig und umfassend, dass man in jedem Bereich - sei es Metaphysik, Ethik oder Ästhetik - und in jeder Tradition - ob analytisch, kontinental oder asiatisch - stets bedeutende und inspirierende Einsichten finden kann. Die chinesische Philosophie des frühen 20. Jahrhunderts mit dem neuen Konfuzianismus zog beispielsweise wichtige Erkenntnisse aus Kants deontologischer Ethik.
Wann und warum haben Sie entschieden, sich wissenschaftlich mit Immanuel Kant und seinen Philosophien auseinanderzusetzen?
Große Philosophen, insbesondere diejenigen mit systematischen Ansätzen, faszinieren mich, da sie ein umfassendes und systematisches Weltbild entwerfen. Daher sind Denker wie Kant und Hegel besonders reizvoll für mich. In jüngerer Zeit widme ich mich vermehrt Kant, da ich glaube, dass seine Rolle als Aufklärer für aktuelle globale Herausforderungen von großer Bedeutung ist.
Immanuel Kant ist dafür bekannt, sein gesamtes Leben in Königsberg verbracht zu haben. Dennoch sind seine philosophischen Ansätze weit verbreitet. Warum muten seine Gedanken Ihrer Meinung nach so universell an?
Kants universeller Ansatz beruht auf seiner Faszination für die menschliche Vernunft, die ihrer Natur nach universell ist. Trotz unterschiedlicher Kulturen, Sprachen und Gesellschaftsformen sind wir alle vernunftbegabten Wesen, die im Wesentlichen gleich sind. Kants theoretische und praktische Philosophie betont, dass jeder Mensch über dieselbe Vernunft verfügt, die sein Denken und Handeln bestimmen sollte.
In welcher Hinsicht betrachten Sie Kants Philosophie als beeinträchtigt durch seine spezifisch europäische Perspektive?
Ich bin nicht sicher, ob man es als „europäische Perspektive“ bezeichnen sollte, aber ich denke, dass Kants Denken durch seinen christlichen Hintergrund und seine pietistische Erziehung eingeschränkt wurde. Obwohl er aus der Perspektive der theoretischen Vernunft wusste, dass die Existenz Gottes nicht bewiesen werden kann und es vielleicht sogar sinnlos ist, darüber zu urteilen, hat er persönlich nie ernsthaft an der Existenz Gottes gezweifelt. Er wollte „das Wissen aufheben, um zum Glauben Platz zu bekommen“ (Kritik der reinen Vernunft), aber wo es um Glauben geht, können leicht Vorurteile ins Spiel kommen. Kant glaubt, dass das höchste Gut in der Einheit von Sittlichkeit und Glückseligkeit nur durch die Postulate des Daseins Gottes und der Unsterblichkeit der Seele gewährleistet werden könnte. Kant räumt zwar ein, dass diese Postulate in gewissem Sinne als Wunschdenken betrachtet werden können, begründet sie aber damit, dass diese Wünsche aus der Vernunft stammen sollen. Hier bin ich sehr skeptisch. Ich neige dazu zu denken, dass diese Wunschvorstellungen eher aus Kants christlichem Hintergrund und seiner pietistischen Erziehung stammen.
Welche Aspekte von Kants Philosophie erachten Sie als kritikwürdig? Warum?
Kants Philosophie ist, wie bei jedem Philosophen, durch seine Zeit begrenzt. Denn jeder Philosoph ist, wie Hegel treffend bemerkt, „ein Sohn seiner Zeit“. Da meine Interessen hauptsächlich in der Metaphysik und Erkenntnistheorie liegen, sehe ich Kants Beschränkungen hauptsächlich im wissenschaftlichen Weltbild seiner Zeit, speziell in der newtonschen Physik. Kant hielt es für unmöglich, einen „Newton der Biologie“ zu finden, der das Leben erklären kann: „es ist für Menschen ungereimt, auch nur einen solchen Anschlag zu fassen, oder zu hoffen, daß noch etwa dereinst ein Newton aufstehen könne, der auch nur die Erzeugung eines Grashalms nach Naturgesetzen, die keine Absicht geordnet hat, begreiflich machen werde; sondern man muß diese Einsicht den Menschen schlechterdings absprechen“ (Kritik der Urteilskraft). Kant konnte sich nicht vorstellen, dass wenige Jahrzehnte später ein Darwin auftauchen würde, der die Vielfalt und Komplexität des Lebens mit der Evolutionstheorie erklären konnte. Dieses Beispiel zeigt, wie stark ein großer Denker wie Kant durch seine Zeit beschränkt war und wie wenig er sich dessen bewusst war, in welchem Ausmaß er begrenzt war.
Kants Ausdruck und Gedankengänge sind dafür bekannt, dass sie komplex und schwer verständlich sind. Was würden Sie Menschen empfehlen, die sich schon immer mit Kant beschäftigen wollten, aber bisher noch nicht den Mut dafür aufgebracht haben?
Obwohl Kants Werke komplex sind, gibt es glücklicherweise eine Fülle von ausgezeichneter Sekundärliteratur. Ich empfehle, mit einer guten Einführung zu beginnen, um einen Überblick zu gewinnen, bevor man sich an den Originaltext wagt. Auch online Enzyklopädien wie die Stanford Encyclopedia of Philosophy bieten zuverlässige und aktuelle Informationen.
Welcher Teil von Kants Werk ist aus Ihrer Sicht bislang unterschätzt worden? Welche Aspekte bieten noch ungenutztes Potenzial für die Themen und Fragen von heute?
Ich möchte einen Aspekt von Kants Werken hervorheben, den ich nicht als vernachlässigt oder unterschätzt ansehe. Jedoch denke ich, dass ein zentrales Anliegen Kants - seine Betonung von Vernunft und Aufklärung - heute eine noch bedeutsamere Rolle einnehmen und mehr Aufmerksamkeit erlangen sollte. Im 21. Jahrhundert scheinen wir in eine Ära einzutreten, in der das Vertrauen in Vernunft und Aufklärung zunehmend ins Wanken gerät. Wir leben in einem Zeitalter der Post-Wahrheit, das von Fake News und Verschwörungstheorien geprägt ist. Kant warnte uns davor, dass solch eine Abkehr von der Vernunft nicht nur Falschheiten hervorbringt, sondern unsere Denkweise und unser Verhalten grundlegend verändern kann. Er befürchtete eine mögliche Gleichgültigkeit zwischen Wahrheit und Unwahrheit, Vernunft und Irrationalität. Ein solcher Indifferentismus begünstigt das Zeitalter der Post-Wahrheit und könnte einen Teufelskreis in Gang setzen. Obwohl ich mir unsicher bin, wie man dieser Tendenz auf praktischer Ebene entgegenwirken kann, bin ich überzeugt, dass wir auf theoretischer Ebene die Werte der Vernunft und der Aufklärung hervorheben sollten.
Würden Sie die Aufklärung als ein universelles oder lokales Phänomen beschreiben? Wie würden Sie die Aufklärung (oder vergleichbare Strömungen) in Ostasien beschreiben?
Ich betrachte die Vernunft als universell. Aufklärung, die Kant als „Ausgang des Menschen aus seiner selbst verschuldeten Unmündigkeit“ beschreibt, ist daher von allgemeiner Relevanz. Allerdings wird in Ostasien die Aufklärung häufig mit der westlichen Modernisierung assoziiert, die bedauerlicherweise teils auch den Beigeschmack von Imperialismus mit sich bringt.
Wen würden Sie als den/die bekanntesten Philosophen bzw. Philosophinnen des 18. Jahrhunderts in Ostasien bezeichnen?
Da ich mich nicht intensiv mit der ostasiatischen Philosophie beschäftigt habe, kann ich diese Frage nicht beantworten.
Welche anderen Philosophen und Philosophinnen aus dem 18. Jahrhundert würden Sie gern empfehlen, die Ihrer Meinung nach bislang von der Forschung vernachlässigt worden sind?
Momentan fällt mir kein Name ein, den ich in diesem Kontext empfehlen könnte.
Prof. René Aristide Rodrigue Nzameyo leitet den Fachbereich Philosophie an der Ecole Normale Supérieure de Yaoundé in Kamerun.
Wann und warum haben Sie entschieden, sich wissenschaftlich mit Immanuel Kant und seinen Philosophien auseinanderzusetzen?
Ich habe mich aus zwei Gründen dazu entschieden, zu Kant und seiner Philosophie zu forschen: Erstens geht es in seiner Philosophie um die Frage des Wissens, genauer gesagt um die Bedingungen der Möglichkeit menschlichen Wissen. Seine Hauptfrage: "Was kann ich wissen?" ist von grundlegender Bedeutung. Diese Frage hat für uns Menschen die Konsequenz, dass es Dinge gibt, die wir wissen, und Dinge, die sich unserem Wissen entziehen. Das Elend des Menschen besteht darin, dass er Dinge zu kennen glaubt, die nur Illusionen sind, und dass er Dinge als Realität ausgibt, die es nicht sind. Was mich an Kant am meisten beeindruckt hat, war die strenge Methode, wie man zur Erkenntnis der Dinge gelangen kann.
Zweitens war ich tief beeindruckt von Kants Begriff der Aufklärung, der mich bis heute nicht loslässt: das Bestreben, alles durch einen richtigen Gebrauch unseres Verstandes verständlich zu machen. Dieser Kult der Verständlichkeit, der auf die Entzauberung der Welt abzielt, hat der Menschheit einen enormen Dienst erwiesen und kann als Grundlage für Länder in Afrika dienen, die sich im Aufbau und in der Umstrukturierung befinden. Die Idee der Aufklärung als Prozess der Entzauberung der Welt mit dem Ziel, alles verständlich zu machen, ist eine der grundlegenden Tendenzen des Menschengeschlechts, und in dieser Hinsicht ist und bleibt Kant ein Vorbild.
Welche Aspekte von Kants Philosophie erachten Sie als kritikwürdig? Warum?
Kants Bestimmung der Menschenrassen, die später als Legitimation des Rassismus gelten wird, ist philosophisch fragwürdig. Abgesehen von den peripheren Aspekten, wie den Hauptthesen über die menschlichen Rassen, ist einer der problematischsten und am meisten diskutierten Aspekte in Kants Studien seine Beziehung zur Metaphysik: Ist Kant derjenige, der versucht hat, die Metaphysik zu retten, oder ist er derjenige, der sie endgültig begraben hat? Bisher herrscht darüber in den Forschungsdebatten kein Konsens. Kants Zeitgenossen wie Mendelssohn betrachteten ihn als den Alleszermalmenden; während die Marburger Schule versuchte, die epistemologischen Aspekte aufzuwerten, opferte sie die metaphysische Absicht, die seiner Philosophie zugrunde lag. Gegen die Marburger Schule entwickelte sich in Süddeutschland anlässlich des 200. Geburtstages Kants eine Erneuerung der metaphysischen Frage in den Kantstudien mit einer vertieften Perspektive auf die Kritik der reinen Vernunft. Die aktuelle Forschung versucht, beide Tendenzen miteinander in Einklang zu bringen, wobei die Absicht Kants, die Metaphysik zu reformieren, betont wird. Trotzdem ist Kants Beziehung zur Metaphysik eines der am meisten diskutierten Themen in der Kant-Forschung.
Was würden Sie Menschen empfehlen, die sich schon immer mit Kant beschäftigen wollten, aber aus Angst vor seinem komplexen Ausdruck bisher noch nicht den Mut dafür aufgebracht haben?
Kants Philosophie ist nicht komplexer als jede andere Philosophie. Seine Sprache vermischt Latein, den scholastischen Stil, der an den damaligen deutschen Universitäten üblich war, und das neu entstehende Deutsch, das noch nicht über das Fachvokabular der Philosophie verfügte. Im Spätwerk versuchte er, die scholastische Philosophiesprache in die deutsche Wissenschaftssprache zu übersetzen, was eine eminent philosophische Aufgabe war. In diesem Sinne sind Kant als auch Christian Wolff diejenigen, die eine wunderbare Arbeit geleistet haben, nämlich die deutsche Sprache als philosophische Sprache zu etablieren. Allen, die sich für Kants Philosophie interessieren, sei empfohlen, sich vorab mit der scholastischen Methode der Ideenfindung und des Philosophieunterrichts zu beschäftigen und sich diese anzueignen, sowie die philosophische Grundintention, die Kants Philosophie zugrunde liegt, zu verstehen.
Prof. Dr. Macarena Marey ist Professorin für politische Philosophie an der Universität von Buenos Aires und Forscherin (CONICET).
What are your current research areas?
I am currently writing a book to reconceptualise some of the central notions of Western political philosophy from a situated standpoint, such as the social contract, sovereignty, and cosmopolitanism. I do not reject the modern Western tradition but try to show what we can gain from it if we apply a critique of its imperialist, racist, sexist, and ableist underpinnings. For this, I use the works of non-European authors such as José Martí, José Carlos Mariátegui, and Frantz Fanon and the tools of non-ideal methodology as developed by Elizabeth Anderson, Iris Marion Young, and Charles Mills, and follow the intersectional approach as it was originally developed by Angela Davis, Audre Lorde, and bell hooks.
When and in what context did you first encounter Immanuel Kant? When and why did you choose Kant as your research subject?
My first serious encounter with Kant’s practical philosophy happened when I was a student at the University of Buenos Aires, in the late 1990s. Reading the Doctrine of Virtue, I had the impression that what some famous philosophers said about Kant was wrong, so I decided to study Kant’s writings from the 1790s to see if my intuition was right. Besides, I was going through a period in my life that seemed like a watershed and reading a famous phrase from Theory and praxis was very helpful to decide which path I should take: “Der Wille also nach der Maxime der Glückseligkeit schwankt zwischen seinen Triebfedern, was er beschließen solle; denn er sieht auf den Erfolg, und der ist sehr ungewiß”.
Would you consider Immanuel Kant a popular philosopher in South America?
Kant is not a popular philosopher in Argentina and perhaps this is true for the rest of South America. His presence is ubiquitous in the syllabi of every degree in Philosophy, but he is not widely read outside the classroom. This is not because Kant is “hard” to read and understand, since other philosophers like Nietzsche or Deleuze are read by the general public; it is mainly because Kant’s reception here is mediated by French postmodernism and by conservative liberals, two trends that have rather flawed and unattractive readings of his philosophy. I wish I could have replied that non-European philosophers are widely popular in Argentina but that is not the case. We have a lot of de-colonising work to do in this regard.
Kant is known to have spent his entire life in Königsberg. However, his philosophical thoughts are widespread. What do you think it is that makes his philosophical thought so universal?
Traveling does not make people more prone to a truly universalist way of thinking. Colonisers travelled very long distances just to impose their particular ideas over other people as if they were universal and did not care to learn anything from that people they encountered if it was not to subdue them. Travelling is not, moreover, something most people can do, for it is expensive and demands free time. This does not mean that people who cannot travel freely do not have a universalist way of thinking. This said, I think that not all of Kant’s thought is universal. It is a task for all Kantians to learn how to deal with this fact and to discriminate what has a universal appeal and what is a mere generalisation of a particular. I do find universal in Kant’s thought what I see as the materialist foundation of his political philosophy: that we all share a habitat and that our interaction is unavoidable. From this ontological point of departure, it arises a need to make our interactions less unilateral and unfair. This is the most lucid Kantian insight on our lives on this Earth, much more interesting than the categorical imperative.
In what regards would you consider Kant’s philosophical points of view as limited to his specifically European position? What aspects of Kant’s philosophy would you like to criticize and why?
Besides all his remarks on non-whites, the way he understood international relations is limited to his European position. He understood war and peace exclusively as between European states, i.e., between powerful and imperialist states. In the last years, many critiques of Kant’s Eurocentrism, racism, and sexism have been put forward even by Kant scholars. I tend to agree with these critiques, but always stressing that the critique must not end there, that we must learn to use it to illuminate our own involvements with oppression. I don’t think I can add much to the outstanding critical work that colleagues like Huaping Lu-Adler or Inés Valdez do, I prefer to insist on the importance of self-critique and of widening the modern canon to include more visions of the world.
In your perspective, which part of Kant's work has been the most underappreciated? Which aspects still offer unused potential for the issues and questions of today?
His Doctrine of virtue has been widely underappreciated and neglected. I think it is a crucial source to work on an ethics of collective responsibility for injustices, which we very much need today.
Would you regard the Enlightenment as a universal or local phenomenon? How would you describe the Enlightenment (or comparable philosophical movements) in South America?
I do not see the local and the universal as dichotomic. There are not universal phenomena that do not have a local character. Scholars still debate about whether there was an Enlightenment in South America. My position is that Enlightenment was not the same everywhere, and to understand it one must look at its situated differences. I believe that the key to Enlightenment is that it is a popular task. Defined in this way, we cannot talk about “enlightened absolutism”. That was not enlightenment but a paternalist anti-popular tendency among European regimes. The Haitian Revolution is, on the contrary, a perfect example of Enlightenment in practice. It is not enough to denounce the problems of Enlightenment as Adorno and Horkheimer did (in a Eurocentric way), we need to dispute the meaning of Enlightenment.
What other philosophers from the 18th century would you like to recommend who you think have been underappreciated so far?
I recommend Ottobah Cugoano. Cugoano was kidnapped from Africa and enslaved. In England he was part of the “Sons of Africa” anti-slavery group. In his 1878 and 1791 books he refuted pro-slavery arguments, criticised the colonisation of America, and defended the enslaved people’s duty to rebel and a collective responsibility approach to the injustice of slavery. If one condemns Kant’s ideas on racialisation, then studying the works of thinkers and activists like Cugoano and incorporating them to the official canon is mandatory.
Dr. Oscar Bulaong, Jr. ist geschäftsführender Direktor des Ethikzentrums von Gov. Jose B. Fernandez Jr. an der Graduate School of Business der Ateneo de Manila Universität, wo er Unternehmensführung und Wirtschaftsethik lehrt. Außerdem ist er Dozent an der philosophischen Fakultät der Ateneo de Manila Loyola Schools sowie an der Ateneo School of Government auf den Philippinen.
What are your current research areas?
I have two ongoing university-funded research projects on applied ethics: the first one is a grounded-theory approach to understanding Filipino decision-making that investigates how we navigate everyday organizational ethics; and the second is a quantitative analysis of corporate governance reports, probing into patterns of ethics compliance of publicly-listed corporations.
This shows how my career has gravitated towards the practical, and more precisely the applied areas of normative philosophy. But I must admit that I am a teacher; my place is in the classroom, whether it is online or face-to-face classes. In the past 10 years, I have found myself involved in the formation of workplace-based students, who are taking their professional graduate degrees, such as MBA and MPM (Masters in Business Administration and Public Management, respectively). This is where I witness the formation of the minds and hearts of students who are already policy- and decision-makers in their workplace. Thus I find myself now in the Graduate School of Business of the Ateneo de Manila University teaching Business Ethics and Leadership courses, which comprise the formation and not the technical courses for those degrees.
But I cannot leave theoria for praxis. I continue to teach philosophy courses at the School of Humanities at the same university, specifically the two history of ideas courses called, “Modern Western Philosophy”, and “Contemporary Western Philosophy”. It is in these courses that I am most at home, where I can share how astonishing the encounter with the best minds of western history can be: Descartes, Hume, Kant, Hegel, Nietzsche, Marx, Freud, among others.
When and in what context did you first encounter Immanuel Kant?
I could say that I first “learned” about Kant in my Modern Western Philosophy course in 1998. But that was not my first real encounter, which happened in the Wintersemester of 2005 at the Uni Frankfurt. Let me narrate that one of the remarkable periods in my life was my time as a doctoral student in Germany, from 2005-2009. My wife and then one-year-old son were able to join me because of a scholarship from the KAAD (Katholischer Akademischer Ausländer-Dienst), to whom I remain grateful for the opportunity to live and study in Europe.
In the Wintersemester of 2005, I started my Promotion at the Uni Frankfurt, with Prof Dr Markus Willaschek as my Doktorvater, to whom I will always be grateful for his supervision of my work. My work began with a close-reading of the Kritik der reinen Vernunft with my Kolloquiumsgruppe. Our weekly three-hour long meetings showed me how profound Kant’s writing was, that beneath the kilometer-long sentences was the constant attempt to be precise and rigorous. It’s ironic, isn’t it? Kant writes these long-winded sentences, with multiple distinctions and specifications, to be stringent and methodical in his thinking. And yet for us we experience a complicated, and I have heard students joke, “brutal” experience of reading Kant. But how rewarding it is to understand even just half of what he writes, insofar as we witness what it means to be careful and exact in one’s thinking. This journey resulted in my dissertation, entitled “Kant’s Doctrine of Right and Philosophy of History”, which I defended in January 2009.
Kant is known to have spent his entire life in Königsberg. However, his philosophical thoughts are widespread. What do you think it is that makes his philosophical thought so universally appealing?
There is an apparent irony in this question that is not lost on me: How can a thinker whose entire life was localized to a city of not more than 250 square kilometers, or not even one-third the size of present-day New York City, make universal claims about what it means to be a human being? The assumption here is that we implicitly expect someone well-travelled and “cosmopolitan” to have more profound philosophical insights than someone whose farthest travel was not even 100km away from his hometown.
Here we must come to terms with what makes philosophical thought universally appealing. With Kant, a cosmopolitan lifestyle was obviously not decisive, and it remains vague to us, if his writing might have been substantially improved (whatever the criteria might be for “improvement”), had he travelled to southern Europe or maybe even taken a boat to the new world. But his journey was radically different from your typical jet-setter. Kant in fact declares in the first paragraph of the Preface of the Kritik der reinen Vernunft what the starting point of his journey was, as such:
Human reason has the peculiar fate in one species of its cognitions that it is burdened with questions which it cannot dismiss, since they are given to it as problems by the nature of reason itself, but which it also cannot answer, since they transcend every capacity of human reason (KrV, A vii).
Kant was motivated by a strong impulse, that he was “burdened with questions which [his mind] cannot dismiss” (A vii). This special journey that Kant took, the self-reflexivity of it, to put reason itself as the object of its own critique, is still compelling for me. I interpret this journey to require deep humility, the kind that is willing to be judged in a series of self-auditing reflections, with the invitation to cooperate and be a fellow worker (A xxi). So for me Kant’s universal appeal as a thinker springs from the willingness to take self-reflexivity to its farthest possibility, which of course no cosmopolitan jet-setter can reach, because Kant’s journey was inward.
In what regards would you consider Kant’s philosophical points of view as limited to his specifically European position?
For me this question evokes the long-standing discussion among my peers about what consists in a “canon” of the history of philosophy, to which Kant almost always belongs, particularly in the following categories: Modern Western Philosophy, Ethics or Moral Philosophy, Epistemology, Aesthetics, and sometimes, Political Philosophy. In this discussion, there will always be someone, in an ostensibly postcolonial tone, who asks, why are we studying/teaching/researching male, white, and dead philosophers? The implication is that we should prefer the indigenous over the foreign.
So when we ask the question concerning the limitation of Kant’s position as specifically European, we have to remind ourselves that every other thinker—be it Plato or Zhuang Zhou—who produces a systematic articulation of human existence (moral, epistemological, political, et cetera), articulates that all-encompassing system always and already from a local standpoint. An all-inclusive, absolute position is unavailable to our species. It is almost foolish to set the standard of a position that is not contingent on a geographical and historical starting point. Thus we ask the question, Is Kant’s point of view as a German in the 18th Century limit him to a European position? Certainly not. It could not have been anything but his specific standpoint that compelled him to carry the burden of reason to carry through his intellectual projects, which remain timeless and universal in their aspirations. Like him, the challenge is to come to terms with our own intellectual compulsions, to reconcile the metaphorical starry skies above us and the moral law within each of us (KpV 5:161).
So why do we study/teach/research male, white, and dead philosophers? Because, according to a twelfth century thinker, we are dwarves that stand on the shoulders of these intellectual giants. Indeed we may criticize them for their lack of 21st Century consciousness of social justice, but we cannot dismiss them. For the possibility of our critiques and polemics depends on them. So I tell my students, explain first correctly what the philosopher is saying before you identify the gaps in their claims. Intellectual dismissiveness, the kind that cancels a thinker without representing the thinker’s position properly, is lazy and dishonest.
Would you regard the Enlightenment as a universal or local phenomenon? How would you describe the Enlightenment (or comparable philosophical movements) in the Philippines?
Let me distinguish between the upper case “E” for Enlightenment, and the lower case “e” for enlightenments. The first one refers to the specifically European 18th Century intellectual movement, while the second—did you notice I used the plural?—point to the fact that the motto, Sapere aude, is exercised in a variety of ways throughout human history. In my leadership classes, we use Campbell’s study of the monomyth (or Hero’s Journey) because it has deeply Jungian roots, to describe the narrative motif of our collective human experience. That we leave our comfort zones to battle metaphorical monsters towards the reward of an elixir shows us how embedded the enlightenment is in our species. However we want to translate the Latin “sápere”, whether as wisdom, knowledge or reason, the point is that we are changed, we are never the same, after we overcome our own version of the “dark ages”, as individuals and as communities throughout history.
Thus I consider the 18th Century Enlightenment movement as local, but with universal aspirations. Mind you, all other instances of persons or societies who transition from the self-imposed darkness of paternalism to turning on the light of one’s own reason, to become self-legislating (autos + nomos), are no less important. The Enlightenment serves for us an exemplar for the enlightenments in our journeys.
Who would you name as the most popular philosopher(s) from the 18th century in the Philippines?
Before I give names, there is an important historical detail about my country that will inform my answer. The Philippines has experienced economic growth in the past decade, but we remain a developing country, with one of the highest levels of income inequality in Asia (according to the gini coefficient). This makes us vulnerable to populist leaders, who promise to change a broken system through autocratic means. One feature of this promise for reform is an anti-intellectualism rhetoric, aimed at the educated class, who are depicted as a cause of the broken system. In fact, there are roots of this anti-intellectualism in our literature. In his novel, “Noli me Tangere” (which incidentally was published first in Berlin in 1887), the Philippine national hero, Jose Rizal, named the character of the village idiot, “Pilosopo Tasyo”. This association of the word “pilosopo” (or philosopher) with the highly intelligent and well-read Don Anastacio (Spitzname: Tasyo), who is not taken seriously by others because he is unruly and argumentative has resulted in an added pejorative meaning for “philosopher” in Filipino: a Besserwisser (oder Klugscheißer). This is also what we call children who answer back to their parents.
So when the question about popular philosophers in the Philippines is asked, I react with some amusement: In a subtly anti-intellectualist culture such as the Philippines, is philosophy itself popular? Of course, in educational institutions, philosophy is an important subject that has an important place in our discourse. There are several philosophical associations in the Philippines that are successful in sustaining knowledge-generation and -exchange among us. These are places where we can talk about Plato, Thomas of Aquinas, Kant, Levinas, and whoever the trendy philosopher is in the world today. We also have our own Filipino philosophers, who continue to animate our discourse: Roque Ferriols, Romualdo Abulad, Emirita S. Quito, Alfredo P. Co, among many others. But this is a challenge that philosophers in the Philippines face as we continue our task of nation-building: How do we philosophers become more relevant in the public discourse? This returns me to the enlightenment response I gave above: How do we overcome the “dark ages” of our anti-intellectualism, when philosophers can make a decisive impact in the ways that we Filipinos think and behave? This is why there are too few public intellectuals in Philippine society today.
Prof. Dr. Nikita Dhawan studierte Philosophie und Germanistik an der Universität von Mumbai sowie Gender Studies am Research Centre for Women‘s Studies an der SNDT Women‘s University Mumbai, Indien. Seit 2021 ist sie Professorin für Politische Theorie und Ideengeschichte an der Technischen Universität Dresden.
Worauf liegt Ihr aktueller Forschungsschwerpunkt?
Meine Forschungs- und Interessenschwerpunkte liegen in den Bereichen der Globalen Gerechtigkeit, der Menschenrechte sowie der Demokratie und Dekolonisierung. Ein zentraler Fokus meiner Forschung und Lehre liegt auf den historischen, ökonomischen, sozio-politischen und kulturellen Verflechtungen zwischen Europa und der postkolonialen Welt. In meiner Arbeit analysiere ich das ambivalente Erbe der Europäischen Aufklärung für die postkoloniale Welt und suche dabei nach einer alternativen postkolonial-queer-feministischen Ideengeschichte von Schlüsselkonzepten. Derzeit arbeite ich an dem Projekt „Die Aufklärung vor den Europäer:innen retten: Kritische Theorien der Dekolonisierung“ (gefördert von der Volkswagen-Stiftung). Da Postkoloniale Studien als Anti-Aufklärung angesehen werden, mag es paradox erscheinen kritische Theorien der Dekolonisierung vorzuschlagen. Bislang argumentierten viele postkoloniale Wissenschaftler:innen, dass die erhabenen Ideale der Aufklärung mit kolonialer Gewalt und faschistischem Terror einhergingen. Gleichzeitig, so wird dargelegt, kam die Aufklärung den Interessen einer gewissen privilegierten Klasse zugute, die Normen mit implizit rassistischer und sexistischer Ausrichtung festschrieb. Trotz dieser Einwände ist das Ziel des Projektes, die widersprüchlichen Konsequenzen der Aufklärung zu verstehen ohne einen Anti-Aufklärungs-Standpunkt einzunehmen. Die Unabdingbarkeit der Aufklärung in der Umsetzung kritischer Projekte muss mit den Euro- und Androzentrismen, welche ihr Erbe plagen und wie ein Pharmakon, nämlich Gift und Medizin zugleich sind, zusammengedacht werden. Um post-imperiale Zukünfte zu imaginieren, werden kritische Theorien der Dekolonisierung vorgeschlagen.
Wann und in welchem Kontext sind Sie erstmals auf Immanuel Kant aufmerksam geworden?
Als junge Studentin der Philosophie an der Universität Mumbai stieß ich zum ersten Mal auf Kant und seinen Aufsatz „Was ist Aufklärung?“ Besonders beeindruckend war seine Definition von Aufklärung als Ausgang aus der selbstverschuldeten Bevormundung. Zu dieser Zeit begann ich auch, mich mit postkolonialer, queerer und feministischer Theorie zu befassen, und stellte Kants Behauptung in Frage, dass die Unmündigkeit marginalisierter Subjekte, die nicht weiß, europäisch, bürgerlich, heterosexuell oder männlich sind, tatsächlich „selbstverschuldet“ ist oder ob sie eine Folge systematischer Entrechtung und Ausgrenzung aufgrund rassistischer, heterosexistischer und kolonialistischer Diskurse und Strukturen war.
Würden Sie Immanuel Kant als weltweit bekannten Philosophen bezeichnen?
Ja, ich würde Kant sicherlich als einen der einflussreichsten Philosophen der Welt betrachten. Auch wenn die meisten Menschen Kant nicht gelesen haben, haben seine Überlegungen zu Autonomie, Gleichheit, Universalismus, Kosmopolitismus, Weltfrieden, Kolonialismus, Geschlecht und Rasse weitreichende Auswirkungen auf die heutige Welt.
Warum haben Sie entschieden, sich wissenschaftlich mit Immanuel Kant und seinen Philosophien auseinanderzusetzen?
Nach der Ermordung von George Floyd am 25. Mai 2020 und inmitten der weltweiten kontroversen Diskussionen um den Abriss von Denkmälern und Statuen, die mit Kolonialismus und Sklaverei in Verbindung gebracht werden, gab es auch in den deutschen Medien eine heftige Debatte um die Statue von Immanuel Kant, die bisher weithin als Symbol der europäischen Aufklärung und ihrer Normen von Freiheit, Gleichheit, Autonomie, Weltoffenheit und Frieden galt. Während die einen Kant vorwarfen, der Gründervater des modernen Rassismus und ein Symbol der „weißen Vernunft“ zu sein, verteidigten andere ihn einfach als „Kind seiner Zeit“ und sogar als Pionier des Antikolonialismus.
Mit dem erneuten weltweiten Interesse an den unvollendeten Prozessen der Dekolonisierung ist das Verhältnis zwischen einer Vielzahl von miteinander verknüpften Konzepten neu in den Blickpunkt gerückt: Modernität und Rasse, Kapitalismus und Neokolonialismus, Kosmopolitismus und globale Ungleichheit. Auch die ambivalente Beziehung zwischen Kolonialismus und Aufklärung ist wieder ins Rampenlicht gerückt. In meiner Arbeit vertrete ich die Auffassung, dass es wichtig ist, die zentrale Rolle Kants während der Aufklärung und seinen anhaltenden Einfluss auf das zeitgenössische Verständnis der kritischen Praxis zu verstehen. Ob Foucault, Butler oder Spivak, selbst die schärfsten Kritiker:innen des westlichen Denkens orientieren sich an Kant. Darüber hinaus analysiere ich, wie die aktuelle Außenpolitik westlicher Staaten, sei es im Bereich der Entwicklungspolitik oder der militärischen Intervention, weiterhin auf die kantischen normativen Ideale des Kosmopolitismus und des Völkerrechts zurückgreift. Im Sinne einer postkolonialen Ideengeschichte ist es unabdingbar, Kants Rassismus, Sexismus und Antisemitismus als unverzichtbar für den Prozess der Dekolonisierung zu thematisieren. Die Option, Kant einfach zu umgehen, indem man ihn als rassistisch oder sexistisch „abtut", ist nicht sinnvoll, da er einer der prominentesten Denker der Aufklärung ist und viele ihrer zentralen Normen wie Autonomie und Kritik auf seine Schriften zurückgehen.
Die Befürworter:in der Aufklärung tun den kantischen Rassismus, Sexismus und Antisemitismus als banale irrationale Vorurteile ab, die für das emanzipatorische Projekt der Aufklärung nur von geringer Bedeutung sind. Meines Erachtens ist es unerlässlich, dieser „Schönfärberei“ der Aufklärung als eindeutig antiimperialistisch zu widersprechen. Die gestelzten Stereotypen über die außereuropäische Welt, die von den Denkern der Aufklärung vertreten wurden, sind immer noch wirksam. Im Gegensatz zu den Behauptungen der Neokantianer behaupte ich, dass Rassismus, Sexismus und Antisemitismus dem kantischen Denken nicht fremd sind, sondern tief in der westlichen Vernunft und dem normativen Verständnis davon verwurzelt sind, wer als Mensch gilt und wer als legitimes politisches, moralisches und rechtliches Subjekt betrachtet wird. Um der Trivialisierung der postkolonialen Kritik entgegenzuwirken, setze ich mich sorgfältig mit Kants Schriften auseinander und widme der Frage, wie diese Praktiken der Entmenschlichung tief in den aufklärerischen Normen des Kosmopolitismus, der Toleranz und der Gleichheit verwurzelt sind, besondere Aufmerksamkeit.
Würden Sie die Aufklärung als ein koloniales oder anti-koloniales Phänomen beschreiben?
Eine Reihe renommierter Publikationen versucht, die fehlerhafte Darstellung der Aufklärung als imperialistisch zu korrigieren, indem sie kritische Perspektiven innerhalb des kanonischen politischen Denkens Europas wieder aufgreift. Als Kontrapunkt zur postkolonialen Kritik an der Aufklärung wird argumentiert, dass die Aufklärung in der Tat anti-kolonial war. Andererseits lehnen lateinamerikanische Wissenschaftler wie Walter Mignolo und Ramón Grosfoguel die europäische Moderne kategorisch ab und misstrauen ihren emanzipatorischen Ansprüchen und plädieren für eine „Rückkehr“ zu indigenen Kosmologien. Kritische Wissenschaften wie die Postcolonial, Queer und Gender Studies, die sich alle auf die Erkenntnisse der Aufklärung stützen, werden von dekolonialen Wissenschaftler:innen beschuldigt, den Eurozentrismus zu reproduzieren. Angesichts des Vorwurfs, postkoloniale Studien seien gegen die Aufklärung gerichtet und eurozentrisch, möchte ich den Mittelweg skizzieren, den postkoloniale Wissenschaftler:innen beschreiten, und die normativen Dilemmata aufzeigen, vor denen das Projekt der Dekolonisierung der Aufklärung steht. Ziel ist es, unser Verhältnis zu Aufklärern wie Kant zu hinterfragen und neu zu denken. Dabei geht es nicht darum, sie zu diskreditieren, sondern letztlich darum, rigorosere kritische Denker:innen zu sein als sie es waren.
Inspiriert von Adornos und Horkheimers „Dialektik der Aufklärung“ möchte ich argumentieren, dass die Aufklärung und ihr Erbe der Demokratie, der Menschenrechte, der Gerechtigkeit, des Säkularismus und des internationalen Rechts sowohl unzureichend als auch unverzichtbar für das Verständnis der postkolonialen Welt sind. In meiner Arbeit konzentriere ich mich darauf, wie postkoloniale, queer-feministische Wissenschaftler:innen versuchen, die zwanghaften Aspekte der Aufklärung anzufechten und gleichzeitig ihre emanzipatorischen Normen zu retten. Meiner Ansicht nach bedeutet die Dekolonisierung der Aufklärung weder ihre Ablehnung, noch bedeutet die Auseinandersetzung mit ihr, sie bedingungslos zu befürworten.
In welcher Hinsicht betrachten Sie Kants Philosophie als beeinträchtigt durch seine spezifisch europäische Perspektive?
Kants Aufsatz „Was ist Aufklärung“ wurde kanonisch und stellte die Öffentlichkeit der Vernunft in den Vordergrund, die in den Kaffeehäusern, Salons, Lesegesellschaften und wissenschaftlichen Akademien der damaligen Zeit blühte. Während Kant den öffentlichen Gebrauch der Vernunft als einen der Eckpfeiler der Aufklärung preist, der eng mit der Autonomie des Individuums verbunden ist, geht er nicht auf die Frage ein: Wer hat die Aufklärung finanziert? Woher kam der Kaffee in den Kaffeehäusern? Woher kam der Zucker? Oder der Tabak, den die bürgerlichen Männer rauchten? Wie Frantz Fanon bemerkt: „Europa ist buchstäblich die Schöpfung der Dritten Welt".
Ein weiteres aufschlussreiches Beispiel ist der kantische Kosmopolitismus, der trotz seines Anspruchs auf Universalität und Antikolonialität, die Interessen der europäischen Eliten fördert und schützt. Die Europäische Union, so wird behauptet, ist die beispielhafte Manifestation des kantischen Weltbürgerrechts und ein Vorläufer der Genfer Konvention. Der weitreichende Einfluss des kantischen universellen Rechts auf Hospitalität unterstreicht, dass Gastfreundschaft nicht nur ein Ausdruck von Wohltätigkeit oder Philanthropie ist, sondern ein Rechtsanspruch aller Menschen. In seiner Diskussion des Weltbürgerrechts schlug Kant eine entstehende globale Öffentlichkeit vor, in der eine Verletzung der Rechte in einem Teil der Welt überall empfunden wird. Kant befasste sich mit der Frage der Rechte und Pflichten derjenigen, die Grenzen überschreiten wollten, und argumentierte, dass alle Weltbürger ein Recht auf Freizügigkeit haben sollten, das er mit der Idee eines Rechts auf gemeinschaftlichen Besitz der Erdoberfläche begründete, das das Menschengeschlecht gemeinsam hat. Der Kosmopolitismus wurde als Leitdoktrin vorgeschlagen, um die Menschen vor Krieg zu schützen und das kosmopolitische Recht moralisch in das Prinzip der universellen Gastfreundschaft einzubetten, das sowohl die Rechte der Fremden als auch die Pflichten der Gastgeber umfasste. Es wurde jedoch betont, dass der Gastgeber dem Gast die Gastfreundschaft verweigern kann, wenn dies möglich ist, ohne seinen Tod zu verursachen. Er darf jedoch nicht feindselig behandelt werden, solange er sich an dem Ort, an dem er sich aufhält, friedlich verhält.
Befürworter Kants führen seine Idee des Kosmopolitismus als Beweis für seinen Antikolonialismus an. Kants kosmopolitisches Recht, so wird argumentiert, schütze staatenlose Völker, die nicht in den Geltungsbereich des Völkerrechts fielen. Kant konterkarierte die europäischen Rechtfertigungen für den Kolonialismus, wonach ein Siedler Anspruch auf ein fremdes Territorium erheben konnte, indem er sowohl das Erlaubnisgesetz als auch die universelle Gastfreundschaft einschränkte. Nach Kants kosmopolitischem Recht gab es kein Erlaubnisgesetz für die Aneignung fremden Territoriums jenseits der Grenzen des eigenen Staates, wodurch kolonialer Missbrauch verhindert wurde.
Ich würde entgegnen, dass angesichts der Tatsache, dass Gesetze nach Kants Auffassung nur auf diejenigen angewendet werden können, die zur Vernunft fähig sind, und da er nicht-weiße Menschen als unfähig zur Vernunft und außerhalb der „zivilisierten Normen“ ansah, sie nicht in die kantischen Überlegungen zum Weltbürgerrecht einbezogen sind. Der nicht-europäische „Besucher“ hat in der Erkenntnistheorie der Aufklärung keinen rechtlichen oder moralischen Stellenwert und wurde nicht in das von Kant vorgeschlagene Prinzip der universellen Gastfreundschaft einbezogen.
Welche Aspekte von Kants Philosophie erachten Sie als kritikwürdig? Warum?
Gegen den Vorwurf des Rassismus und Imperialismus führen Kants Befürworter drei Hauptargumente an, um Rassismus, Kolonialismus und Kosmopolitismus voneinander zu trennen: Erstens wird behauptet, dass Kants Schriften über Rasse und Geschlecht nur am Rande mit seinem Hauptwerk zu tun haben. Zweitens sei es anachronistisch, Kants Ansichten nach heutigen Maßstäben zu beurteilen. Schließlich wird der Schwerpunkt auf den angeblichen Wendepunkt in Kants späteren Schriften gelegt, der angeblich eine Abkehr von rassistischen Überzeugungen hin zu einer Verurteilung des Kolonialismus markiert.
Meiner Ansicht nach ist das Argument, Kants Rassismus sei ein Spiegelbild des Zeitgeistes, nicht stichhaltig, wenn man beispielsweise Kants Zeitgenossen Anton Wilhelm Amo (ca. 1703 - ca. 1759) betrachtet, der der erste schwarze Akademiker und Philosoph in Deutschland war und in Jena und Wittenberg lehrte. Im Jahr 1734 verteidigte Amo eine philosophische Dissertation an der Universität Halle in Sachsen. In seinem Widmungsschreiben lobte der Rektor der Universität Wittenberg, Johannes Gottfried Kraus, Amo als „das natürliche Genie“ Afrikas und seinen „unschätzbaren Beitrag zur Erkenntnis“. Im Gegensatz zu Kant disqualifiziert und entwertet Kraus Amo nicht aufgrund seiner Hautfarbe, was beweist, dass Kants Rassismus nicht allein aus dem Zeitgeist heraus erklärt werden kann.
Wie alle Denker:in haben sich auch Kants Ideen im Laufe der Zeit verändert, und jede Interpretation seines Werkes muss diese Entwicklung berücksichtigen. Es gibt jedoch weder einen Text, in dem Kant seine Reue über seine Gedanken zur hierarchischen Ordnung „der Rassen“ bekennt, noch hat er jemals erklärt, warum er seine früheren Positionen revidiert hat. Hätte Kant seine früheren rassistischen Ansichten widerrufen wollen, hätte er sich von seinen früheren Schriften distanzieren können, als sie 1797 und 1799 neu veröffentlicht wurden, was er aber nicht tat. Im Gegensatz zu vielen seiner Zeitgenossen verurteilte Kant weder die Institution der Sklaverei noch trat er für die Abschaffung der Sklaverei ein.
Obwohl Kant den Polygenismus ablehnte, gab er die Idee der Hierarchie „der Rassen“ nicht auf, auch nicht in seinen späteren Schriften. Offensichtlich war Kant eher einer monogenetischen christlichen Erklärung des Ursprungs der Menschheit als dem Polygenismus verpflichtet. Kants Ablehnung des Polygenismus und seine Befürwortung des Monogenismus reichen jedoch nicht aus, um seine antiimperialistische Haltung zu belegen. Als Antwort auf die Behauptung, dass Kants Antikolonialismus in seiner Wertschätzung kultureller und religiöser Vielfalt wurzelt, möchte ich hervorheben, dass Kant die Idee der generationenübergreifenden Beständigkeit rassischer Merkmale bekräftigte, was seine Ablehnung der „Rassenvermischung“ rechtfertigte. Kant war entschieden gegen die „Verschmelzung“ von Rassen, die dazu führen würde, dass sich die Menschen physisch und psychologisch ähneln. In dieser Bewahrung der Vielfalt der menschlichen Spezies ist eine zutiefst rassistische Ideologie zu erkennen. Zu den so genannten „Zigeunern“ bemerkt Kant, dass trotz ihres dreihundertjährigen Aufenthalts in Europa ihre Abstammung von der indischen „Hindustani-Rasse“ daran zu erkennen ist, dass sie „Taugenichtse“ sind. Die so genannten „Zigeuner“ sind für Kant der Beweis für die Beständigkeit der Rassen. Die Hautfarbe ist für Kant nicht nur ein physisches Merkmal, sondern die Fähigkeit, rational zu handeln, ist rassisch determiniert, so dass folglich auch unser moralischer Status rassenabhängig ist. Kants Egalitarismus in seinen moralischen und politischen Schriften gesteht nur weißen Männern diesen Status des Personseins zu, und daher gibt es keinen Widerspruch oder eine Spannung in seiner Hierarchie der Rassen und seinen Prinzipien der universellen Gleichheit. Der Egalitarismus wird zur „Gleichheit unter Gleichen", wobei die Nichteuropäer:in ontologisch von den „Früchten“ der Aufklärung ausgeschlossen sind.
In „Zum ewigen Frieden“ (1795) betonte Kant die Grenzen des Vorrechts des Staates, Krieg gegen seine Feinde zu führen. Ausdrücklich erwähnte Kant Hirten- und Jagdvölker wie die „Hottentotten“ vom Kap, die „Tungusen“ und „die meisten amerikanischen Eingeborenenvölker“ und warnte davor, dass Europäer sich nicht mit Gewalt, sondern nur auf vertraglicher Basis auf deren Land niederlassen sollten. Er warnte, dass die Eingeborenenvölker aufgrund ihrer „Unwissenheit“ nicht ausgenutzt werden sollten. Dies wird als positives Beispiel für den kantischen Antikolonialismus angeführt. In der Metaphysik der Sitten (1797) stellte Kant jedoch im Gegensatz dazu fest, dass es „für die Rechte eines Staates gegen einen ungerechten Feind keine Grenzen gibt". Kant kritisierte zwar den Zwang zur Verstaatlichung von staatsfernen Menschen, sprach aber auch von „ungerechten Feinden", die im aussichtslosen Naturzustand existierten. Kant behauptete, dass diese „Barbaren“ verpflichtet seien, ihre „wilde und gesetzlose Freiheit“ zu verlassen und in die Zivilisation einzutreten. Kant vertrat zwar die Ansicht, dass diese „gesetzlosen“ Menschen nur „durch Vertrag“ dem Recht unterworfen werden sollten, doch ihre Gesetzlosigkeit machte sie per definitionem unfähig, an verbindlichen Verträgen teilzunehmen, und ihr Zustand des staatenlosen, nicht kommerziellen, nicht vertraglichen „Krieges aller gegen alle“ stellte eine Bedrohung für die Freiheit aller Nationen dar. Dies führt zu der paradoxen und absurden Situation, dass das Völkerrecht und das kosmopolitische Recht zwar nur durch Verträge ausgeweitet werden sollten, dass aber angesichts der Unmöglichkeit, die Zustimmung der „Gesetzlosen“ zu erlangen, im Interesse der Ausweitung des globalen Handels die Anwendung von Gewalt unvermeidlich wird. Kants Vorstellung von einem ungerechten Feind verletzt die Souveränität indigener Völker und stellt einen schlagkräftigen Gegenbeweis für den Anspruch des kantischen Antikolonialismus dar.
Trotz Ihrer Kritik an Kant, warum halten Sie ihn dennoch für einen zentralen Vertreter des kritischen politischen Denkens?
Die Denker der Aufklärung haben in der Tat gelegentlich die Exzesse und Missbräuche des europäischen Kolonialismus kritisiert, obwohl die meisten von ihnen zutiefst von der europäischen Überlegenheit und den Tugenden der Vernunft, der Arbeitswille und der Moral des weißen Mannes überzeugt waren und konsequent den kommerziellen Kolonialismus gefördert haben. Trotz der textlichen und historischen Belege für Rassismus, Sexismus, Antisemitismus und Kolonialismus in der Aufklärung gibt es ein konzertiertes Bemühen, diese bedenklichen Elemente zu ignorieren und abzutun, um eine wohlwollende, widerspruchsfreie und gesäuberte Theorie zu präsentieren, die versucht, universelle Ansprüche zu wahren und rassistischen Partikularismus zu verschleiern. In meiner Arbeit versuche ich, die Denker der Aufklärung für ihre diskriminierenden Ideen zur Verantwortung zu ziehen, ohne für ihre Zensur oder ihren Boykott einzutreten. Angesichts der gewalttätigen Geschichte des modernen europäischen Denkens mag es logisch erscheinen, anzunehmen, dass Denker wie Kant nicht „gerettet“ werden können und man ihn symbolisch und buchstäblich vom Sockel stürzen muss. Doch genau hier geht die postkoloniale Intervention über Neinsagen, Fehlerfindung und eine Politik der Schuldzuweisung hinaus. Meiner Ansicht nach geht es bei der Dekolonisierung weder darum, das aufklärerische Denken zu verteufeln noch es zu übertreffen. Auch wenn wir aufklärerische Denker wie Kant für ihren Antisemitismus, Rassismus und Sexismus verurteilen, müssen wir erkennen, dass wir ironischerweise von denen lernen, die wir kritisieren.
So versucht beispielsweise der jamaikanische Philosoph Charles Mills, Kant zu radikalisieren, indem er einen „rassensensiblen“ kategorischen Imperativ vorschlägt. Trotz seiner scharfen Kritik besteht der Versuch darin, Kant zu „rehabilitieren“, indem er einen schwarzen radikalen Kantianismus vorschlägt. Mills erklärt, dass die kantischen Prinzipien und Ideale der Autonomie, der Rechtsstaatlichkeit und des Kosmopolitismus im Lichte einer durch Rassenherrschaft strukturierten Moderne neu überdacht werden müssen. Dabei geht es nicht nur um die Bekämpfung des kantischen Rassismus, sondern um einen genuinen Universalismus, der sich der Herausforderung von Rassismus und Kolonialismus stellt. Mills zeigt damit einen Weg für postkoloniales kritisches Denken auf, um die Aufklärung zu dekolonisieren.
Kant war zweifellos ein brillanter Denker, und seine Schriften sind für jeden, der sich mit kritischem Denken befasst, unverzichtbar. Postkoloniale Theoretiker:in, die die Aufklärung bisweilen homogenisieren, indem sie sich vor allem auf ihr gewalttätiges Erbe konzentrieren, würden davon profitieren, sich mit den Argumenten von Kants Verteidiger:in auseinanderzusetzen und das ambivalente Erbe von Kants Denken anzuerkennen. Gleichzeitig täten die Befürworter:in Kants, die sein politisches Denken retten wollen, gut daran, Foucaults Ratschlag zu beherzigen, sich davon zu befreien, für oder gegen die Aufklärung und damit ihren wichtigsten Vertreter, Immanuel Kant, zu sein.
Der Nobelpreisträger Ronald Coase sagte bekanntermaßen, wenn man die Daten foltert, werden sie alles gestehen. Ich schlage vor, dass wir, wenn wir Kants Schriften lange genug foltern, genügend Beweise dafür finden können, dass er sowohl rassistisch als auch antirassistisch war. Und ja, es ist tatsächlich möglich, beides zu sein. Meiner Ansicht nach müssen wir danach streben, bessere Kantianer zu sein, als es ihm gelungen ist, zu sein. Als postkoloniale Denker:in sollten wir Kant über seine Grenzen hinausführen, indem wir seine Ideen von Freiheit, Autonomie und Gleichheit auf eine nicht-hierarchische, nicht-sexistische und nicht-rassistische Weise neu interpretieren. Anstatt Kant von seinen diskriminierenden Positionen zu entlasten, müssen wir Kants Prinzipien für kritische Theorien der Dekolonisierung einsetzen. Es geht nicht darum, an Kant „herumzudoktern", um ihn weniger rassistisch oder sexistisch erscheinen zu lassen. Vielmehr sollte die Diskrepanz zwischen Kants egalitärem Verständnis des angeborenen Rechts auf Freiheit und den spezifischen rassistischen und sexistischen Argumenten angesprochen werden, so dass er weder beschuldigt wird, inegalitärer zu sein, als er war, noch entschuldigt wird, weniger egalitär zu sein, als er war. Nur so kann man vermeiden, seine bedenklichen Vorurteile zu wiederholen, und gleichzeitig das Beste aus seinen emanzipatorischen Einsichten machen. Um es mit der schwarzen Feministin Audre Lorde zu sagen: Wir müssen die Werkzeuge des Herren einsetzen, um das Haus des Herren zu demontieren.
Prof. Dr. Yasuyuki Funaba unterrichtet an der Universität Osaka in Japan.
Was ist Ihr aktueller Forschungsschwerpunkt?
Wann und in welchem Kontext sind Sie erstmals auf Immanuel Kant aufmerksam geworden?
An der Fakultät gab es nur zwei Möglichkeiten, nämlich Kant oder Hegel, als ich die Abschlussarbeit schreiben musste. Hegel war für mich zu schwierig, deshalb hatte ich die andere Möglichkeit zu wählen.
Würden Sie Immanuel Kant als bekannten Philosophen in Japan bezeichnen?
Ja, sogar einer der bekanntesten Philosophen neben Socrates, Platon, Descartes und Nietzsche.
Wann und warum haben Sie entschieden, sich wissenschaftlich mit Immanuel Kant und seinen Philosophien auseinanderzusetzen?
Eigentlich hatte ich als Student an dem kategorischen Imperativ Interesse gehabt. Als ich Karl-Otto Apel und Wolfgang Kuhlmann gelesen habe, war ich dann für ihre Kritik, dass Kant solipsistisch ist, seine Idee der Univesalität habe ich jedoch mit Habermas noch für wichtig gehalten.
In welcher Hinsicht betrachten Sie Kants Philosophie als beeinträchtigt durch seine spezifisch europäische Perspektive?
Seine intelligible Welt, die Unsterblichkeit der Seele, Sein des Gottes und sogar Freiheit ermöglicht, finde ich beeinträchtigt durch seine europäische Perspektive. Ohne diese metaphysische Annahme könnten sich meines Erachtens Potentialitäten seiner Philosophie, wie Habermas zeigt, noch lebendig weiter entwickeln.
Welche Aspekte von Kants Philosophie erachten Sie als kritikwürdig? Warum?
Seine Diskriminierungen, hauptsächlich die der Frauen erachte ich als kritikwürdig. Darüber wird noch nicht genug diskutiert, wenigstens in der japanischen Öffentlichkeit der Philosophie-Forschenden. Auf Grund der „natürlichen“ Qualität erlaubt er keinen Frauen das Stimmrecht. Ob das mit seiner Idee der rechtlichen Verfassung zu tun hat, das muss z. B. gut geprüft werden.
Würden Sie die Aufklärung als ein universelles oder lokales Phänomen beschreiben? Wie würden Sie die Aufklärung (oder vergleichbare Strömungen) in Japan beschreiben?
Bei der Aufklärung, die Habermas das unvollendete Projekt genannt hat, soll es sich um ein universelles Phänomen handeln. (Das Wort Mut muss allerdings in Bezug auf seine Anthropologie genauer und strenger geprüpft werden.) In Japan herrscht schon lange der Zynismus als Gegen-Aufklärung.
Wen würden Sie als den/die bekanntesten Philosophen bzw. Philosophinnen des 18. Jahrhunderts in Japan bezeichnen?
Wahrscheinlich Kant. Einige sagen Hume, andere Rousseau, aber die meisten Kant; diese Antwort ist ganz unabhängig von meinem Fachbereich.
Welche anderen Philosophen und Philosophinnen aus dem 18. Jahrhundert würden Sie gern empfehlen, die Ihrer Meinung nach bislang von der Forschung vernachlässigt worden sind?
Ich weiß nicht, ob er als ein Philosoph aus dem 18. Jahrhundert genannt werden kann. Johann Gottlieb Fichte würde ich jedoch gerne empfehlen. Wegen seiner Veröffentlichung Reden an die deutsche Nation wurde und wird er als Nationalist betrachtet und vernachlässigt. Seine Ansicht vom Weltbürgerrecht (GA I/4, 163) kann aber in Bezug auf die aktuelle Situation paradoxerweise ganz bestimmt bedeutungsvoller als die seines Vorgängers sein.
Prof. Dr. habil. El Hadji Ibrahima Diop ist Professor für deutsche Literatur und ihre Didaktik an der Université Cheikh Anta Diop de Dakar, Senegal.
Wann und in welchem Kontext sind Sie erstmals auf Immanuel Kant aufmerksam geworden?
Seit Jahrzehnten interessiere ich mich speziell für die Anthropologie Immanuel Kants, woraus ich, eingebettet in den neuzeitlichen historischen und ideengeschichtlichen Kontext, sein Interesse an zeitgenössischen Theorien menschlicher „Rassen“, sein eigenes theoretisches Gebäude sowie eine kritische Sicht aus nichteuropäischer Perspektive abzuleiten versuche. Ziel ist es, Formen eurozentristischen Universalitätsdenkens bei Kant als dominierendes Denkmuster mit mainstreamgesteuerter Wirkung bis heute sichtbar zu machen. Der Weg, der mich zu Kant führte, war meine Erforschung der deutschen Ideengeschichte des 18.Jahrhunderts.
In welcher Hinsicht betrachten Sie Kants Philosophie als beeinträchtigt durch seine spezifisch europäische Perspektive?
Kants Schriften zur Anthropologie und Geographie reflektieren unter bewusstem Ausschluss gegenläufiger zeitgenössischer empirischer Beschreibungen und Forschungen (Reiseliteratur oder Untersuchungen zur Kolonialpolitik Europas bspw. durch Abbé Raynal) sowie real existierender Widerstandsbewegungen (bspw. Abolitionismusbewegung, Aufstände in St. Domingo, in Afrika) Aspekte eines zeitbedingten, progressistischen Systemdenkens, das im Interesse seiner Stabilität Kulturen, Religionen und Staatsformen von Menschen aus dem nicht-zentraleuropäischen Raum vorsätzlich herabsetzen musste.
Würden Sie die Aufklärung als ein universelles oder lokales Phänomen beschreiben? Wie würden Sie die Aufklärung (oder vergleichbare Strömungen) in Afrika beschreiben?
Der Kants Philosophie zugesprochene Universalitätsanspruch wäre tatsächlich neu zu bestimmen. Meiner Meinung nach gibt es keinen Universalitätsanspruch ohne einen lokalen Bezug und umgekehrt. Ein wichtiger Ansatzpunkt für mich ist die Überzeugung, dass es im subsaharischen Afrika einen Geist der Aufklärung gibt, der den Rationalitätsgedanken, das Prinzip der Vernunft für die Staatspolitik festlegt, ergänzt um eine aufgeklärte islamische Theologie, welche Religion als Mittel und Ziel der Streitkultur versteht. Es existiert die politisch-literarische Gattung des Fürstenspiegels, in der die Figur des Staatsherrschers im Spannungsfeld zwischen zwei Autoritätsinstanzen, der des Wissens und der der politischen Macht, sich behauptet.
Wen würden Sie als den/die bekanntesten Philosophen bzw. Philosophinnen des 18. Jahrhunderts in Afrika bezeichnen?
Will man den Bedeutungsgehalt der Aufklärung angemessen bewerten, ist auf die Epochenperiodisierung und eine Angleichung zu verzichten, die für den europäischen Kontext als exportierbare Norm weltweit zu sehen sind. Afrikanische Reformtheoretiker gab es vor und nach der europäischen Aufklärung. Es gab jedoch keine Kontinuität dieser Reformwerke in regulären stabilen Staaten, denn durch die Konfrontation mit der europäischen Kolonisation und der arabischen Eroberungspolitik wurde die Konstitution bzw. Restauration von Staaten in Afrika permanent zerstört und genuin afrikanische Reformwerke im Staat, in der Politik und der Gesellschaft wurden vernichtet. Als bedeutende Denker, die das subsaharische Afrika beeinflussten, jedoch sind zu nennen: Ahmed Baba al Timbuktu (1556-1627), Ousmane Dan Fodio (1754-1817) und Mohammed al-Amin al-Kanemi (1776-1837).
Dr. Xing Nan arbeitet an der Peking Universität, China, im Fachbereich Philosophie.
Worauf liegt Ihr aktueller Forschungsschwerpunkt?
Meine jetzigen Forschungsgebiete liegen in fast allen Bereichen der kantischen Philosophie, sowie ihrem historischen Kontext und ihrer Rezeption. Außerdem interessiere ich mich für das Problem der Willensfreiheit und moralischen Verantwortung, insbesondere im Hinblick auf KI und andere Produkte der modernen Technik.
Wann und in welchem Kontext sind sie erstmals auf Immanuel Kant aufmerksam geworden?
Als ich ein Erstsemester war, studierte ich noch nicht Philosophie als Hauptfach. Aber ich habe damals ein paar philosophische Bücher gelesen und einige einführende Vorlesungen verschiedener Fächer besucht, wobei Kant zu der am häufigsten erwähnten Namen gehörte. Deshalb dachte ich, dass ich irgendwann Kant studieren sollte. In den Semesterferien habe ich den Prolegomena gelesen und erregte mich sehr darüber, denn die kantischen Fragestellungen schienen mir sowohl befremdlich als auch hoch interessant.
Würden Sie Immanuel Kant als einen in China bekannten Philosophen bezeichnen?
Ja, Kant gehört zweifellos zu den populärsten Philosophen in China. Am Anfang des zwanzigsten Jahrhundert hat Liang Ch’i-ch’ao (1873-1929), einer der berühmtesten Gelehrten und politischen Schriftsteller seiner Zeit, in einem Aufsatz Kants Gesamtlehre zum ersten Mal für die chinesische Leser dargestellt, wo Kant als der „größte Philosoph der Moderne“, „Lehrer von hunderten Generationen, Retter in den finsteren Zeiten“ bezeichnet wird. Danach wurden Kants Werke von chinesischen Gelehrten mehrerer Generationen, und zwar aus verschiedenen Fächern, gelesen, übersetzt, und diskutiert. Die erste chinesische Übersetzung der Kritik der reinen Vernunft stammt zum Beispiel von Hu Jen-yuan (1883-1942), Experte im Maschinenbau und ehrmaliger Präsident der Peking Universität.
Heute steht Kants Name auf dem Curriculum fast aller Studierenden der Philosophie in China, zahlreiche Aufsätze über Kant erscheinen jedes Jahr in akademischen Zeitschriften. Mit der Gründung der chinesischen Kant-Gesellschaft 2019 treffen die Kant-Forscher in China regelmäßig zusammen, um sich über ihre neuen Entdeckungen und Gedanken auszutauschen. Zudem bleibt Kant auch für das breitere Publikum ein interessantes Thema. Ich wurde mehrmals eingeladen, öffentliche Vorträge über Kant zu halten, wobei die Zuhörer großes Interesse und Aufmerksamkeit zeigten.
Warum haben Sie entschieden, sich wissenschaftlich mit Immanuel Kant und seinen Philosophien auseinanderzusetzen?
In meinem zweiten Studienjahr habe ich ein Hauptseminar über Kants Kritik der Urteilskraft besucht. Es war meine erste Erfahrung, einen klassischen philosophischen Text gründlich zu lesen und mit anderen Studierenden darüber zu diskutieren. Ich habe viel davon gelernt und bin immer mehr von Kants Fragestellungen fasziniert geworden. Der Dozent für das Seminar, Prof. Dr. Han Shuifa, hat mich dann sehr ermutigt, Kant weiter zu studieren und Deutsch zu lernen. Seither ist Kant ein Schwerpunkt meines Studiums geblieben. In den folgenden Jahren habe ich weiter Kant, aber auch andere philosophische Autorinnen und Autoren, gelesen und wurde inzwischen ziemlich kritisch gegen manche Behauptungen von ihm. Jedoch bin ich immer der Meinung, dass man aus der Lektüre des kantischen Texts und dem Nachdenken darüber philosophisch viel lernen kann.
Immanuel Kant ist dafür bekannt, sein gesamtes Leben in Königsberg verbracht zu haben. Dennoch sind seine philosophischen Ansätze weit verbreitet. Warum muten seine Gedanken Ihrer Meinung nach so universell an?
Meines Erachtens gewinnt Kants Philosophie eine weltweite Bedeutung vor allem durch ihre enthusiastische Beharrung auf die allgemeine Menschenwürde, die sich aus seiner Lektüre von Rousseau ergab. Die kritische Philosophie lässt sich als die Begründung des grundlegenden Ideals der Aufklärung ansehen. Aber im Vergleich zu Rousseau und anderen Philosophen der Aufklärung zeichnet Kant sich noch dadurch aus, dass er die verschiedensten Gedankenlinien dieser Vorgänger auf eine ausgewogene, systematische, und originelle Weise zur Synthese bringt, und dadurch, dass er in der Lage ist, philosophische Begriffe zu erfinden oder innovativ zu benutzen, damit man auf eine vorher undenkbare Art und Weise philosophische Fragen stellen und zu beantworten versuchen kann bzw. muss. Sowohl dem „Schulbegriff“ als auch dem „Weltbegriff“ nach gilt Kant also als der Philosoph der Moderne.
Auch die (aus heutiger Sicht) kleine Stadt Königsberg spielt wohl eine wichtige Rolle für Kants weltbürgerliche Anschauung, denn wie er in der Vorrede der Anthropologie sagt, diese Stadt „kann schon für einen schicklichen Platz zu Erweiterung sowohl der Menschenkenntniß als auch der Weltkenntniß genommen werden, wo diese, auch ohne zu reisen, erworben werden kann“.
In welcher Hinsicht betrachten Sie Kants Philosophie als beeinträchtigt durch seine spezifisch europäische Perspektive?
Es gibt einige durchaus unberechtigte rassistische Aussagen in Kants Werke, die die weit verbreiteten Vorurteile der damaligen Europäer wiederspiegeln. Außerdem sind einige platonische und christliche Elemente, wie z.B. die Unterscheidung zwischen Sinnes- und Verstandeswelt, die Natur- und historische Teleologie, und nicht zuletzt die Behauptung, dass die „unvermeidlichen Aufgaben der reinen Vernunft“ bzw. der Metaphysik genau in drei Ideen bestehen: Gott, Freiheit, und Unsterblichkeit, die aber, wie Kant selbst zugibt, eigentlich „Grundpfeiler aller [v. a. aber der christlichen!] Religion“ sind. Ich würde nicht sagen, dass diese Elemente ausschließlich in der europäischen Tradition zu finden sind, denn wie Schopenhauer und der chinesische Philosoph Mou Tsung-san (1909-1995) zu zeigen versuchten, es gibt in den indischen und chinesischen Traditionen auch ähnliche Gedanken. Trotzdem glaube ich, dass die kantische Lehre eine besonders starke intellektualistische Tendenz zeigt, die sich eindeutig der europäischen Tradition zuschreiben lässt.
Welche Aspekte von Kants Philosophie erachten Sie als kritikwürdig? Warum?
Nun ist es üblich, die offensichtlich unberechtigten Aussagen über Geschlecht oder Rasse von Kant (und anderen europäischen Denkern seiner Zeit) zu kritisieren. Das hat völlig recht, aber betrifft wohl nicht den Kern seiner Philosophie. Andererseits bleibt Kants Philosophie in den letzten zwei Jahrhunderten ein ständiger Gegenstand der Kritik. Die nachkantische Philosophiegeschichte lässt sich in nicht geringem Maße als die Geschichte der Kant-Kritik ansehen. Meiner jetzigen Meinung nach scheinen die platonischen Elemente in Kant weniger attraktiv, denn sowohl die Wirklichkeit der apriorischen Erkenntnisse als auch die Annahme einer intelligiblen Welt werden mit guten Gründen in Frage gestellt. Ich bin mir aber völlig bewusst, dass das, was ich für problematisch halte, für andere wohl die tiefste Einsicht von Kant bedeutet, und umgekehrt ist es genau so. Das ist als ein Zeichen der unendlichen Fruchtbarkeit der kantischen Gedanken zu verstehen.
Kants Ausdruck und Gedankengänge sind dafür bekannt, dass sie komplex und schwer verständlich sind. Was würden Sie Menschen empfehlen, die sich schon immer mit Kant beschäftigen wollten, aber bisher noch nicht den Mut dafür aufgebracht haben?
Dazu habe ich nichts Besonderes zu sagen. Stattdessen möchte ich eine Passage vom englischen Dichter Coleridge, die von H. J. Paton am Anfang seiner Studie Kant and the Metaphysic of Experience zitiert wird, wiedergeben: „The writings of the illustrious sage of Koenigsberg, the founder of the Critical Philosophy, more than any other work, at once invigorated and disciplined my understanding. The originality, the depth, and the compression of the thoughts; the novelty and subtlety, yet solidarity and importance of the distinctions; the adamantine chain of the logic, and, I will venture to add (paradox as it will appear to those who have taken their notion of Immanuel Kant from Reviewers and Frenchmen), the clearness and evidence of the Critique of Pure Reason … took possession of me with a giant’s hand.“
Welcher Teil von Kants Werk ist aus Ihrer Sicht bislang unterschätzt worden? Welche Aspekte bieten noch ungenutztes Potenzial für die Themen und Fragen von heute?
Kant-Forschung ist heutzutage eine große akademische Industrie geworden. Es gibt kaum ein Thema, das nicht sorgfältig geforscht wird. Das Potential der kantischen Lehre lässt sich vielleicht auf eine unerwartete Weise entdecken mit der Entstehung eines neuen philosophischen Interesses.
Würden Sie die Aufklärung als ein universelles oder lokales Phänomen beschreiben? Wie würden Sie die Aufklärung (oder vergleichbare Strömungen) in China beschreiben?
Wenn man unter Aufklärung den „Ausgang des Menschen aus seiner selbst verschuldeten Unmündigkeit“ oder einfach „Selbstdenken“ versteht, so soll sie ein Phänomen sein, das in verschiedenen Zeiten und Gebieten stattfinden kann bzw. soll. Die konkreten Vorgänge der Aufklärung können aber schon innerhalb des Abendlandes sehr unterschiedlich sein. Während man früher die französische Aufklärung als das Paradigma der Aufklärung anzusehen pflegt, wird der Charakter der schottischen und der deutschen Aufklärung immer mehr bemerkt und anerkannt.
In China werden die „May Fourth Movement“ bzw. die „New Culture Movement“ (begann ca. 1915), die in erster Linie an der damaligen Peking Universität entstanden, oft als die chinesische Aufklärung bezeichnet. Die genaue Bestimmung dieser Bewegungen sowie ihres Verhältnisses bleibt auch heute umstritten, jedenfalls ist es klar, dass diese Bewegungen sich bemühten, mit den von Europa übernommenen Leitideen von Demokratie und (Natur-)Wissenschaft die alte Autorität des Konfuzianismus zu zerstören. Zudem trat der Marxismus auch erst bei diesen Bewegungen in China hervor. Dagegen spielt Kant nur sehr geringe Rolle, zum Teil wohl deswegen, dass China damals unter Kolonialismus schwer litt, also scheint die Idee des ewigen Friedens weniger attraktiv als die des Nationalismus oder der Revolution.
Wen würden Sie als den/die bekanntesten Philosophen bzw. Philosophinnen des 18. Jahrhunderts in China bezeichnen?
Vor der Gründung der Volksrepublik China (1949), Konfuzius; danach, Karl Marx. Dies ist jedoch eher aus politischen Gründen zu erklären.
Welche anderen Philosophen und Philosophinnen aus dem 18. Jahrhundert würden Sie gern empfehlen, die Ihrer Meinung nach bislang von der Forschung vernachlässigt worden sind?
Das ist schwer zu sagen, denn es gibt zu viele wichtige Philosophen in den letzten zwei Jahrhunderten, über die ich nur sehr geringe Kenntnisse habe. Hier scheint mir geeignet, noch zwei chinesische Philosophen zu nennen, die von Kant sehr stark beeinflusst wurden: Wang Kuo-wei (1877-1927) und Li Zehou (1930-2021). Wang ist der erste chinesische Philosoph, der Kants Werke (in japanischen und englischen Übersetzungen) gründlich studierte und versuchte, die überlieferten chinesischen Gedanken durch die kritische Philosophie weiter zu entwickeln. Li ist der bedeutendste und populärste chinesische Philosoph seiner Generation. Sein Buch Kritik der kritischen Philosophie: Darstellung und Bewertung von Kants Lehre (Erstveröffentlichung 1979, gekürzte englische Übersetzung mit dem Titel „A New Approach to Kant: A Confucian-Marxist’s Viewpoint“ erschien 2019 bei Springer) ist der erste umfassende und systematische Darstellung von Kants Lehre in Volksrepublik China und hat einen ungewöhnlich weiten Leserkreis gewonnen. Wie der englische Titel zeigt ist es nicht nur eine Interpretation von Kant, sondern bildet auch den Ausgangspunkt von Li´s eigenen philosophischen Entwicklung.