Enlighten Me! Techniken der Aufklärung

Projektseminar | 26. April - 12. Juli 2024 | Technische Universität Berlin

„Wie klärt man Menschen so auf, dass sie aufgeklärt sein wollen?“ (Steffen Martus: Aufklärung. Das deutsche 18. Jahrhundert. Ein Epochenbild, Hamburg 2015, S. 16). Dieses zugespitzte Grundproblem der Aufklärung stellt ihren technischen Charakter heraus: Ideen, Werte und Lösungsansätze für drängende Probleme brauchen Verfahren, damit sie vermittelt und umgesetzt werden können. Literatur nimmt diesbezüglich eine Doppelfunktion wahr, denn einerseits stellt sie das zentrale Vermittlungsmedium der Frühen Neuzeit dar und kann somit als Technik der Aufklärung par excellence verstanden werden. Andererseits werden die Techniken der Aufklärung vornehmlich im literarischen Raum entwickelt, beschrieben und reflektiert – sei es die Anwendung philosophischer Ideen auf die menschliche Lebensrealität, die Vermessung und Nutzbarmachung der Natur oder die Kritik des menschlichen Verstandes.


Dass die Ideale der Aufklärung zu Zeiten Immanuel Kants, der dieses Jahr sein 300. Geburtstagsjubiläum feiert, heute anders gedacht werden müssen, um verwirklicht werden zu können, untersucht die französische Philosophin Corine Pelluchon. Für sie ist Aufklärung „zugleich eine Epoche, ein Prozess und ein Projekt. Vor allem aber ist sie der Akt, in dem eine Generation durch Selbstreflexion eine neue Vorstellungswelt hervorzubringen versucht“ (Corine Pelluchon: Das Zeitalter des Lebendigen. Eine neue Philosophie der Aufklärung, Darmstadt 2021, S. 13). Pelluchons Projekt einer neuen Aufklärung nimmt seinen Ausgang von unserer unmittelbaren Gegenwart, die von Klima- und Gesundheitskrisen, wachsender Ungleichheit und Nationalismus geprägt ist. Pelluchons neue Aufklärung möchte die Grundbedingungen für ein gesundes Zusammenleben von menschlichen und nicht-menschlichen Lebewesen im Einklang mit Technik und Natur schaffen.
Anders als philosophische Texte sind literarische Texte von der Pflicht auf Referenzialisierbarkeit befreit und bieten uns damit einen besonderen Zugang zur Welt und dem Wissen von ihr. Als Korrektiv der Wirklichkeit helfen sie uns, unsere Welt zu verstehen und eröffnen einen anderen Blick auf Techniken der Aufklärung. In der satirischen Erzählung „Mikromegas“ (1752) des wohl berühmtesten Protagonisten der französischen Aufklärung François Voltaire reist der Riese Mikromegas vom Stern Sirius durch das All und landet auf der Erde, wo er auf die winzig kleinen, doch sehr überheblichen Menschen trifft, die dank ihres technischen Know-how davon überzeugt sind, alles zu wissen. Im dystopischen Roman „DAVE“ (2021) der jungen österreichischen Autorin Raphaela Edelbauer hat der aufgeklärte Technisierungsprozess seinen vorläufigen Höhepunkt erreicht: Die Gesellschaft lebt in einem gigantischen Laborkomplex und arbeitet Tag und Nacht an einer Künstlichen Superintelligenz namens DAVE, um den Menschen endlich zu überwinden.

In Kooperation mit dem Fachbereich Literaturwissenschaft der Technische Universität Berlin nähert sich das Blockseminar der Aufklärung anhand des Zusammenhangs von Literatur (Drama, Lyrik, Prosa), Technik und Wissen an. Ausgehend von der gemeinsamen Lektüre ausgewählter Texte sowie Diskussionen mit Expert:innen aus naturwissenschaftlichen, geisteswissenschaftlichen und künstlerischen Disziplinen soll in der letzten Phase des Seminars eine praktische Auseinandersetzung mit den Techniken der Aufklärung stattfinden. Im Zuge derer die Studierenden unter Anleitung selbst Vermittlungsformate für einzelne Themen entwickeln, die schließlich Teil einer intermedialen Abschlusspräsentation werden.

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