Kant und die Zeit

Programmbeitrag zum Salon Sophie Charlotte: ZEIT | 20. Januar 2024 | 19:00 Uhr | Akademiegebäude am Gendarmenmarkt, Konferenzraum 1, Markgrafenstr. 38, 10117 Berlin

 

300 Jahre alt wäre der Philosoph Immanuel Kant 2024 geworden. Von der Erkenntnistheorie über die Geschichtsphilosophie bis hin zur Kosmologie hat sich Kant intensiv mit der Zeit befasst. Seine Einsichten unterschieden sich radikal von denen seiner Zeitgenossen und waren von bis dahin unerreichter Komplexität. Inwiefern prägen sie noch unsere Gegenwart, und was können wir für unsere Zukunft aus ihnen lernen?

 

Programm

Gastgeber: Marcus Willaschek (Akademiemitglied, Sprecher des Jahresthemas 2023|24 „Projekt: Aufklärung!“)

 

19 Uhr Was ist die Zeit

Es klingt zumindest kompliziert: „Die Zeit ist kein discursiver, oder, wie man ihn nennt, allgemeiner Begriff, sondern eine reine Form der sinnlichen Anschauung.“ Kants Verständnis von Zeit in seiner „Kritik der reinen Vernunft“ ist revolutionär, vielschichtig – und gilt bis heute als schwer verständlich. Warum ist Zeit zugleich transzendental ideal und empirisch real? Warum ist die Zeit nach Kant Form der inneren Anschauung und bezieht sich nur indirekt auf Gegenstände im Raum? Anschauliche Antworten auf diese und andere Fragen liefern die Philosoph:innen Dina Emundts (Freie Universität Berlin) und Tobias Rosefeldt (Humboldt-Universität zu Berlin).

 

20 Uhr Wann kommt der „ewige Frieden“?

Während viele seiner Zeitgenossen einen dauerhaften Frieden für grundsätzlich unmöglich hielten, entwickelte Kant ein Konzept für eine globale Friedensordnung, die auf rechtlichen Grundsätzen basierte und zudem ewigen Bestand halten sollte: ein föderaler Staatenbund aus Republiken, der sich auf Verträge stützt und alle Menschen als Weltbürger behandelt. Die Bedingungen für diesen Frieden sind laut Kant republikanische Verfassungen, ein globaler, föderaler Staatenbund und grundlegende Rechte für alle Menschen. Zum Teil sind diese Voraussetzungen im heutigen Europa umgesetzt, oftmals aber bereits wieder bedroht. Was sagen uns Kants Überlegungen heute – angesichts sich ausweitender Konflikte und einem allgemeinen Erstarken antidemokratischer Tendenzen? Es diskutieren der Philosoph Volker Gerhardt (Akademiemitglied, Humboldt-Universität zu Berlin) und die Politikwissenschaftlerin Mariam Salehi (Freie Universität Berlin).

 

21 Uhr Wie langsam ist der Fortschritt?

Wie verläuft die Geschichte der Menschheit? Warum und wie sollten wir Geschichtsschreibung betreiben? Kant hat sich weniger für das Aufzeichnen von Fakten oder Details interessiert als für die großen Zusammenhänge und Entwicklungen: Die Menschheitsgeschichte sei auf gesellschaftlichen Fortschritt und die Vervollkommnung unserer geistigen und moralischen Fähigkeiten ausgerichtet. Dementsprechend sollte auch die Geschichtsschreibung gestaltet sein, damit sie selbst einen Beitrag zur menschlichen Entwicklung leisten kann. Die Philosophen Jakob Huber (Freie Universität Berlin) und Omri Boehm (The New School for Social Research, New York) fragen danach, wie Kants Geschichtsbild mit seiner Idee von Aufklärung zusammenhängt. Ist die These der Fortschrittsgeschichte für die heutige Geschichtswissenschaft obsolet? Oder brauchen wir wieder einen Leitfaden, um bei einer immer stärkeren Ausdifferenzierung nicht an der „Last von Geschichte“ zu ersticken?

 

22 Uhr Wie alt ist die Welt?

Mit Astrophysik bringt man Kants Name normalerweise nicht in Verbindung. Seine „Allgemeine Naturgeschichte und Theorie des Himmels“ gehört zu seinen weniger bekannten Schriften, auch wenn sie 1755 ein radikal neues Bild des Kosmos entwarf: Das Universum habe sich über Millionen Jahre in einem rein physikalischen Prozess entwickelt – und verändere sich noch immer. Warum sollte man dieses unbekannte Werk Kants vielleicht gerade heute wieder lesen? Wie verändert sich unsere Perspektive auf die Natur, wenn wir sie als Teil einer fortwährenden, dynamischen Entwicklungsgeschichte betrachten? Diese und andere Fragen diskutieren Literaturwissenschaftlerin Hania Siebenpfeiffer (Universität Marburg), Philosoph Fabian Burt (BBAW, Kant-Edition) und Wissenschaftshistorikerin Anna Jerratsch (Stiftung Planetarium Berlin) im Gespräch mit Simon Rebohm (BBAW, Jahresthema).

 

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